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Vom "Turnen" und "Sporteln"

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Die Wurzeln des „Arbeitersports“, von dem im Folgenden die Rede sein wird, liegen eigentlich im „Turnen“. Heute bereitet uns dieser begriffliche Unterschied kaum Schwierigkeiten: Turnen ist ein Sport und damit hat sich’s.

Um 1900 war die Sachlage ein wenig komplizierter. Das, was wir heute unter „Sport“ verstehen – also das leistungsbewusste, aber doch spielerische Wettkämpfen in verschiedenen Disziplinen, kam eigentlich aus England. Der Begriff „Sport“ hatte für die damaligen mitteleuropäischen Zeitgenossen den Beigeschmack von Leichtigkeit, vielleicht auch Leichtsinn und Unernst. Das Fußballspiel, das sich langsam zu verbreiten begann, war deshalb zunächst verpönt.

Den nationalbewußten Bürgern galt es als „undeutsch“, wie alles, was von der Insel kam. Diese Ablehnung des Sports bedeutete aber nicht automatisch die Ablehnung aller körperlichen Übungen. Ganz im Gegenteil: Der deutsche Pädagoge Friedrich Ludwig Jahrn hatte bereits 100 Jahre zuvor die „Turnbewegung“ begründet. Das Turnen hatte politischen Charakter: Es beinhaltete Disziplin und betonte die Liebe zur Heimat. Es war eine ernsthafte Sache.

Menschen in Mitteleuropa, die sich für körperliche Bewegung begeistern konnten, waren daher zunächst „Turner“ und keine „Sportler“. Als sich die ersten Arbeiter zusammenschlossen, passierte das im Geist der Turnbewegung, andere Sportarten hatten da zunächst wenig Platz. Manche, wie das Radfahren, entwickelten sich völlig parallel und blieben es organisatorisch auch lange Zeit. Andere, wie die Spielsportarten Handball und Faustball waren ausgesprochene „Turnersportarten“ und entstanden aus dem Turnsport heraus.

Als sich die ersten Arbeitervereine zusammenschlossen, um Verbände zu bilden, gab es daher keinen einheitlichen „Sport-Dachverband“, wie wir ihn heute kennen. Die Turner bildeten den „Arbeiter Turn- und Sportbund“, die Radfahrer gründeten den späteren „ARBÖ“, die Schwimmer wieder einen eigenen Verband. Auch die „Kraftsportler“, zu denen sich auch die Kampfsportler gesellten bildeten einen eigenen Verband.

Erst nach dem ersten Weltkrieg wurde mit dem „Verband der Arbeiter- und Soldatensportvereinigungen“ (VAS) ein erstes Dach über alle Verbände gesetzt. 1924 wurde dieser als „Arbeiterbund für Sport und Körperkultur“ neu gebildet. Das Wort „Sport“ hatte sich damals als Überbegriff bereits durchgesetzt. Die sportartspezifischen Unterverbände mit dem besonderen Einfluss der Arbeiterturner blieben aber bestehen und wurden erst in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelöst.



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