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Die Arbeiterolympiade 1931

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Wenn die Rede auf die Arbeitersportbewegung in Österreich kommt, so ist die Arbeiterolympiade das Highlight schlechthin. Genau genommen waren es zwei Veranstaltungen. Zuerst die Wintersportkämpfe in Mürzzuschlag, dann die Sommerbewerbe in Wien.

Schon im Jahr 1927 wurde in Helsinki der Beschluss gefasst, die 2. Internationale Arbeiterolympiade in Wien auszutragen. Es war ein Ausdruck der Wertschätzung der internationalen Arbeitersportbewegung angesichts der starken Österreichischen Organisation. Außerdem war ein zeitlicher Vorlauf notwendig, denn für das Großereignis brauchte es umfangreiche Vorbereitungen. In Wien bis hin zum Bau des Praterstadions.

Friedrich Adler, Generalsekretär der Sozialistischen Internationale, bezeichnete die Spiele als "internationale Heerschau, die mächtiger ist als alles, was bisher der Arbeiterklasse gelungen".


Die Winterspiele in Mürzzuschlag

Mürzzuschlag, der Ort wo österreichische Skigeschichte geschrieben wurde, wo Fridtjof Nansen den Hotelier Toni Schruf und einige von dessen Freunden in die Kunst des Skilaufs eingewiesen hatte, erklärte sich bereit, die Winterspiele zu organisieren. Ein Hauptproblem zu dieser Zeit waren die benötigten Quartiere. Die Lösung hieß Teilen. Viele Arbeiterfamilien nahmen Gäste in ihre Wohnung auf, jedes Sofa, jede Matratze fand ihren Gast.

Auf den Ganzstein wurde eine Sprungschanze errichtet und die Fußballer stellten ihren Rasen für die Eisbewerbe zur Verfügung, heute wäre dies wahrscheinlich undenkbar. Die Skibewerbe wurden auf den Semmering verlegt. Dabei gab es ein Problem, das heute in der Region selten ist. Es gab zu viel Schnee. Den Schneemassen fiel der 30km Langlaufbewerb zum Opfer, er musste kurz nach dem Start abgebrochen werden, da die Sportler in den Schneemassen steckenblieben.

Zur Winterolympiade waren vom 5. bis 8. Februar 1931 mehr als 10.000 Arbeitersportler und –sportlerinnen, Zuschauer und Funktionäre angereist. Es waren in der Mehrheit Zuschauer, denn die Wintersportausrüstung konnten sich die meisten Arbeiter zu dieser Zeit einfach nicht leisten. So waren unter den Aktiven 232 Sportler und 41 Sportlerinnen. Davon kamen 313 Männer sowie 30 Frauen aus Österreich.

Von den Ergebnissen her wäre in heutiger Zeit der österreichische Verband vermutlich medial zerrissen worden. Die Österreicher gewannen gerade mal einen Eiskunstlaufbewerb sowie erstaunlicherweise im Eishockey. Deutschland stieg nicht besser aus und gewann zwei Bewerbe, der Rest, nämlich zehn Bewerbe, ging an Finnland.

Die Spiele in Wien waren der Höhepunkt

Die Sommerolympiade in Wien war die größte und eindrucksvollste Veranstaltung der Arbeitersportbewegung in der Geschichte. Und sie wird es wohl auch bleiben. Tausende freiwillige und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer schufen eine Großveranstaltung, die ihresgleichen sucht.

Wie schon bei den Winterspielen lag auch in Wien ein logistisches Hauptproblem bei der Unterbringung der 50.000 Teilnehmer/innen aus dem In- und Ausland. In den Schulen wurden Massenquartiere eingerichtet. Tausende Gäste wurden gratis bei Arbeiterfamilien in den Gemeindebauten des roten Wien untergebracht. Diese Vorzeigeobjekte des sozialen Wohnbaues empfingen die Arbeitersportler häufig mit festlichem Blumenschmuck und Grußtransparenten.

Die Sommerolympiade in Wien zählte 77.166 aktive Sportlerinnen und Sportler aus 19 Verbänden der Sozialistischen Arbeitersport-Internationale. Dazu kamen geschätzte 200.000 Zuseher/innen.

http://mediawien-film.at/film/319/

Ein Kinderfest zum Auftakt

Als Präsident des Wiener Stadtschulrates eröffnete Otto Glöckl das Kinderfest zum Auftakt der Arbeiterolympiade. Es waren 20.000 Kinder in einem Festzug – er dauerte Berichten zufolge zwei Stunden – zum Rathausplatz marschiert. Dann gab es dem Geist der Arbeitersportbewegung entsprechend Massenübungen, Kinderspiele und Turnvorführungen; Schwimmen im Schwimmstadion stand auch auf dem Programm.

Die Begrüßungsworte von Glöckl geben einen Eindruck des Zeitgeistes wieder: „Der Bürgermeister von Wien hat mich hierher entsendet, um euch und insbesondere den Kindern aus dem Ausland die Grüße Wiens zu überbringen. Es ist ein bedeutsames Zeichen, dass dieses Kinderfest zum Auftakt der Olympiade werden konnte. Wenn ihr an der Spitze dieser gewaltigsten Kundgebung marschiert, die Wien je gesehen hat, so bringen wir dadurch zum Ausdruck, wie lieb wir euch haben, wie stolz wir auf euch sind, wie groß die Hoffnungen sind, die wir in euch setzen.“

Siege waren weniger wichtig – die Massen standen im Mittelpunkt

Bei diesen Spielen gab es mehr Grund zum Jubeln als bei den Winterspielen, siegte doch Österreich in allen Mannschaftsbewerben, erstaunlicher Weise auch im Handball und im Fußball gegen den Favoriten Deutschland. In der Leichtathletik dominierten die nordischen Länder. Die Leistungen brauchten auch den Vergleich zu bürgerlichen Sportereignissen nicht zu scheuen. Es wurden 18 internationale und acht österreichische Rekorde aufgestellt. "Bei der Eröffnungszeremonie im Praterstadion marschierten die teilweise über Tausend Personen zählenden Landesdelegationen einzeln ein. Auch das bereits seit mehreren Jahren faschistisch beherrschte Italien wurde aufgerufen, obwohl es keine Delegation entsandt hatte. Daraufhin wurden im Gedenken an die unterdrückte italienische Arbeiterbewegung alle Fahnen gesenkt." (Wikipedia, letzter Zugriff am 21.09.17)

Die wahren Highlights lieferten aber die Massendarbietungen, die ein Zeichen der Stärke der Arbeiterbewegung insgesamt geben sollten. An sie erinnern sich Zeitzeugen, sie finden sich auf Bild- und Filmdokumenten am häufigsten. Es war zwar das Fußball-Endspiel das sportliche Hauptereignis, doch danach folgte das „Festspiel“. Es war eine künstlerische Darbietung, bei der rund 4.000 Arbeitersportler/innen unter der Regie von Dr. Stephan Hock die Entwicklungsgeschichte der Arbeiterklasse darstellten. Fronarbeit, Rebellion, Krieg und Faschismus wurden dargestellt und als Höhepunkt der Hauptschuldige am Elend der Arbeiterklasse, der „Götze Kapital“ gestürzt. „Leuchtende Fackeln, die in der Dämmerung aufstrahlen, symbolisieren die Verdrängung der Nacht der Unterdrückung durch das helle Feuer der jungen Freiheit“, liest man in der Festschrift zur Arbeiterolympiade. Das Spiel wurde mit dem Absingen der Internationale beendet.

Den Schlusspunkt der Arbeiterolympiade bildete ein Lichtfest am Abend des 25. Juli, für das die Oper, das Parlament und das Rathaus an der Ringstraße mit Tausenden von Glühbirnen beleuchtet wurden. Der Aufmarsch von nicht weniger als 100'000 Festteilnehmern mit Fackeln unter dem Motto "Für Weltabrüstung und allgemeinen Frieden" dauerte volle fünf Stunden.

Wie schon von der ersten Arbeiterolympiade wurde auch von den Wiener Spielen ein Film produziert, den die Mitgliedsverbände der Sozialistischen Arbeitersport-Internationale zu Propagandazwecken benutzen konnten. Friedrich Adler, Generalsekretär der Sozialistischen Internationale, bezeichnete die Spiele als "internationale Heerschau, die mächtiger ist als alles, was bisher der Arbeiterklasse gelungen".

Ausgehungerte Palästinenser, Massenwanderung und Ruderboote

Die Anreise zur Arbeiterolympiade gestaltete sich auf vielfältige Weise abenteuerlich. Hier einige Geschichten dazu.

Aus Kleinasien nach Wien machte sich eine Gruppe von Sportlern auf den Weg, über die in einem Zeitungsbericht folgendes zu lesen war: „Welche große Begeisterung in den Sportfreunden steckt, die aus allen Himmelsrichtungen nach Wien gekommen sind, ersieht man erst, wenn man die Strapazen und Schwierigkeiten kennt, die sie auf sich genommen haben, um an der Arbeiter-Olympiade teilnehmen zu können.

Ein Beispiel von vielen sind die Palästinenser. Zuerst sind acht Radfahrer nach Wien aufgebrochen. Sie wurden überall freundlich aufgenommen, wo man erfuhr, dass sie zur Olympiade nach Wien unterwegs sind. In Italien hat man versucht, sie zur Teilnahme an einem faschistischen Sportfest zu bewegen, was sie höflich aber bestimmt abgelehnt haben.

Den Radfahrern folgten zwölf Motorradfahrer, die in Tagesleistungen von etwa 300 Kilometern in drei Wochen nach Wien kamen, wobei sie allerdings einen Abstecher in die Schweiz und nach Deutschland machten. Eine Fußballmannschaft kam gesondert über Triest. Der Haupttrupp aber, 85 Personen, Handballer und Leichtathleten, fuhr über das Mittelmeer nach Marseille und von dort über die Schweiz nach Wien.

Die Schiffsreise dauerte neun Tage bei andauernd hohem Wellengang, der einer ausreichenden Verköstigung nicht förderlich war. Aber nicht nur die Seekrankheit hat zum Hungern gezwungen, die Reiseteilnehmer mussten auch mit dem Essen sparen, denn jeder hat fast die gesamten Kosten selbst aufgebracht.“

Es entstand sogar eine Art Massenwanderung nach Wien. Die ersten Fußwanderer, die in Wien angekommen sind, erzählen, dass sie auf allen Landstraßen Mitteleuropas weitere Sportler gesehen haben, die das gleiche Ziel haben, die Arbeiterolympiade. Allein aus Leipzig, so wird berichtet, sind 1200 arbeitslose Sportler zu Fuß aufgebrochen.

Eine weitere Form der Billigreise haben Zimmerer entwickelt. Sie bauten eigens Zillen, mit denen sie am Wasserweg, über Inn und Donau, nach Wien ruderten und paddelten. Hier angekommen wurde das Gefährt nach Möglichkeit verkauft, um mit dem Erlös im Idealfall per Bahn wieder nach Hause zu kommen.

Kultur und Wissen in Festschriften

Ein Aspekt sticht ins Auge, wenn man die Festprogramme, Zeitschriften und Broschüren, nicht nur zur Arbeiterolympiade sondern zu praktisch allen Großereignissen in Händen hält. Diese enthalten nicht nur, wie man annehmen könnte, das Programm, den Ablauf oder Starterlisten. Viel mehr wird umfassend über die Geschichte, die Kultur, die Geographie des jeweiligen Gastgeberlandes, seiner Städte und Landschaften berichtet. Über bekannte Künstler, Bauwerke, Dichter und Komponisten werden die Sportlerinnen und Sportler da informiert. Die Bildung der Arbeiterschaft wurde damit konsequent auch im Sport vorangetrieben.



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