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Frankfurt 1925

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Zumindest zwei internationale Großveranstaltungen gingen der „Arbeiterolympiade“ voran, wobei beim tschechischen Fest in Prag schon diese Bezeichnung verwendet wurde, in Leipzig 1922 hieß es „Bundesfest“.

Die olympischen Spiele der Arbeiterschaft wurden offiziell von der „Arbeitersportinternationale“ ausgerufen. Sie sollten auch einen Gegenpol zur olympischen Bewegung von Pierre de Coubertin darstellen. Zu sehr standen aus Sicht des Arbeitersports Konkurrenzdenken und Nationalismus im Mittelpunkt der bürgerlichen olympischen Spiele. Die Arbeiterbewegung sah ihre Ideale von Völkerfreundschaft darin nicht verwirklicht.

Der Aufruf zur 1. Arbeiterolympiade liest sich im Originaltext so: „An die Proletarier aller Länder! Werte Genossen! Der internationale Arbeiterverband für Sport- und Körperkultur hat die Ehre, zu Ihrer Kenntnis zu bringen, daß er Ende Juli 1925 in Frankfurt am Main die Erste Internationale Arbeiter-Olympiade abhält. Unser internationaler Verband, der 1,300.000 Mitglieder zählt in 17 Landesverbänden, will der Frankfurter Olympiade einen grandiosen Charakter verleihen. Wir wollen, daß diese internationalen Sport-Manifestationen eine Demonstration werden, mit der gezeigt werden soll, wie wir den Arbeitersport verstehen. Wir wollen ferner diese einzigartige Gelegenheit benutzen, um im wahrsten Sinne für den Völkerfrieden zu wirken.“

Zuerst die Winterspiele in Schreiberhau

Der Arbeiterolympiade in Frankfurt im Juli 1925 gingen vom 31. Jänner bis zum 2. Februar die Winterspiele in Schreiberhau im Riesengebirge voran. Es war für die meisten der Teilnehmer nicht leicht, sich die Reise und die Sportausrüstung leisten zu können. Eine kleine aber erfolgreiche Abordnung aus Österreich schaffte es und zeigte auch gute Leistungen. Man muss berücksichtigen, dass in Österreich der Großteil der Arbeitersportler in den Städten und Industriezentren beheimatet war. In den Bergregionen betrieben vor allem bürgerliche Vereine den Schilauf.

Auf nach Frankfurt

Wie es schon im Aufruf zu diesem Sportfest zum Ausdruck kam stand nicht nur der sportliche Wettkampf im Mittelpunkt. Die Betonung des Friedens, des internationalen Charakters wird verständlich, wenn man sich vor Augen führt, dass dieses Fest nur wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg stattfand. Nur wenige Jahre nach einer massiven Kriegspropaganda, in der die Nationen Europas gnadenlos gegeneinander aufgehetzt und schließlich aufs Schlachtfeld geschickt wurden. Ein ergreifender Beitrag aus dem Buch „Illustrierte Geschichte des Arbeitersports“ erzählt abseits von Zahlen von den persönlichen Erinnerungen eines Teilnehmers.

„Eine der schönsten Erinnerungen Paul Schusters gehört einem Wuschelkopf, einem Berg von schwarzem Kraushaar, der ein ganzes Stadion in Jubel ausbrechen ließ. Der junge Frankfurter Arbeitersportler saß mit 40.000 Zuschauern auf der Tribüne des Waldstadions, als die französische Delegation einmarschierte, und vorneweg diese kleine Französin mit dem nie gesehenen Wuschelkopf. ,Das sollen unsere Erbfeinde sein?‘, schoss es ihm durch den Kopf. ,Nie und nimmer!‘ Tausenden erging es wie ihm, sie ließen ihren Freudentränen fließen und lagen sich in den Armen. … ,Wir erlebten wie Frieden sein kann‘, ein Fest für Menschen, auf die wir ein paar Jahre früher hätten schießen müssen.“

In vielen anderen Bereichen zeigte die Arbeitersportbewegung was sie den Menschen bieten und vermitteln wollte. So bestand das Abendprogramm aus Hochkultur mit künstlerischen Darbietungen wie etwa der Ouvertüre zu „Meistersinger“, Mozarts Zauberflöte, vorgetragen von 1.200 Mitgliedern des Arbeitersängerbundes. Beim „Menschheits-Weihespiel“ im Stadion wurde der „Kampf um die Erde“ dargeboten. Bei diesem Programmpunkt wurde in mehrfacher Hinsicht auch mit den bisher bekannten Stilmitteln aufgeräumt. Im Buch zur Arbeiterolympiade wird beschrieben: „Nicht Festspiel, sondern Weihespiel! Denn es bricht mit der bürgerlichen Festspielmacherei, die mit pathetischen Reimen und byzantinischen Phrasen arbeitet. Damit hat unser Olympiade-Spiel nicht gemein. Es ist der erste gehämmerte kurzgefaßte Wurf eines modernen Spieles, das im Riesenfreiraum zu den Massen spricht. Hier sind Sprech-Spiel-Chöre, die den Kampf der Massen durch vielstimmige, vielköpfige Einheiten zum Ausdruck bringen. Die Chöre geben in kurzer gestampfter Sprache, in zuckenden Gebärden unser Ringen nach gerechter Verteilung der Erdengüter im dramatischen Werke. … Internationale Arbeiter-Olympiade hat tieferen Sinn als nur die sportlichen Wettkämpfe. Ihr dramatischer Ausdruck und Auftakt ist deshalb kein Phrasen-Festspiel alten Stiles, sondern kraftvolles, wuchtiges Menschheits-Weihespiel!“

40.000 Zuschauer und Zuschauerinnen fanden in dem wenige Tage vor der Olympiade eingeweihten „Frankfurter Waldstadion“ Platz, in denen die Sportveranstaltungen ausgetragen wurden. Über 100.000 Zuschauer und Zuschauerinnen verfolgten die Wettkämpfe der 1.100 Sportlerinnen und Sportler unter anderem aus England, Finnland, Tschechoslowakei, Schweiz, Lettland, Österreich, Belgien und Polen.

Obwohl sich die Teilnehmer alles selbst bezahlten, ihren Festbeitrag leisteten und oft schon lange davor eigene Reisekassen anlegten, war die Veranstaltung letztlich defizitär. Den finanziellen Verlust deckte der deutsche Arbeiter – Rad- und Kraftfahrerbund in solidarischer Weise.



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