Main area
.

ATUS und VAS: Komplizierte Verhältnisse: Von Vereinen, Verbänden und Funktionären

1918/19 waren die bisherigen Organisationen des Arbeitersports vom Zerfall der Monarchie zunächst massiv betroffen: Die gemeinsame Organisation der Arbeiterturner mit den Arbeitersportvereinen in der neu entstandenen Tschechoslowakei war zerbrochen. Auch die Naturfreunde und die Arbeiter-Radfahrer hatten einen guten Teil ihrer Mitgliedsvereine ins Ausland verloren.

Die „Arbeiterturner“ lehnten sich zunächst an den deutschen „Arbeiter- Turn- und Sportverband“ ATUS an. Im Mai 1919 organisierten sich die Arbeitersportvereine gemeinsam mit den inzwischen entstandenen Sportgruppen der Volkswehr (dem Vorläufer des späteren Bundesheeres) im „Verband der Arbeiter- und Soldatensportvereinigungen“ (V.A.S.).[1] Die Ziele des V.A.S. decken sich mit jenen, die der Arbeitersportfunktionär Theodor Bernatz im März 1919 formuliert hatte: „Der Verband erachtet es […] als seine oberste Aufgabe, immer und überall im Sinne eines sozialen Aufbaues sämtlicher auf die körperliche Erziehung des Volkes gerichteter Bestrebungen Einfluß zu nehmen. Er sieht in der Ertüchtigung des Volkes eine der wichtigsten Fragen, deren geeignete Lösung uns zu Volksgesundheit, Volksglück und Lebensfreude führten soll“, heißt es in einer ersten Resolution des VAS, die im Juli 1919 veröffentlicht wurde.[2] Die Not des Jahres 1919, das vor allem für die städtische Bevölkerung von Hunger geprägt ist, lässt sich zwischen diesen Zeilen lesen.

Im VAS waren auch die Arbeiterfußballer vertreten. Sie und auch die Radfahrer pflegten Sportverkehr mit den bürgerlichen Sportvereinen, ein Tabu für die Arbeiterturner.

Begleitet von politischen und strategischen Diskussionen traten schließlich die Turner aus dem VAS aus und gründeten die „Zentralstelle der österreichischen Arbeiterturnvereine“. Sie sahen in der Frontstellung der bürgerlichen Vereine eine konkrete gesellschaftspolitische Bedrohung und forderten eine klare Trennlinie.

Lange sollte diese Zweigleisigkeit jedoch nicht währen. Der Parteivorstand der Sozialdemokratie forderte Verhandlungen mit dem Ziel, eine einheitliche Organisation zu schaffen. Und die internationale Arbeitersportorganisation „Luzerner Sportinternationale“ sah in ihren Statuten ohnehin nur eine Vertretung pro Land vor. Der Zusammenschluss unter dem Kürzel „ASKÖ“ – Arbeiterbund für Sport und Körperkultur Österreichs“ war nur noch eine Frage der Zeit.

[1] Sportblatt am Mittag, 1. Juli 1919. Der V.A.S. wurde am 19. Mai 1919 im Vereinsregister eingetragen. Im V.A.S. wurden Naturfreundegruppen, Arbeiterturner, Arbeiterfußballvereine, Arbeiterradfahrer, Arbeiterschwimmer, Arbeiterturner und Arbeiterathleten (Kraftsportler) zusammengefasst. Gastgeb spricht von 100.000 Personen, die der Verband Ende 1919 umfasste. Gastgeb, Hans: 70 Jahre Arbeitersport in Österreich. Wien 1962. 32.

[2] Sportblatt am Mittag, 1. Juli 1919, 1


zurück