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Wider den "Rekordsport": Körperkultur statt Leistungssport

Der Arbeitersport vertrat eine gänzlich andere Weltanschauung als sein bürgerliches Pendant. Baute der bürgerliche Sport auf Leistungs-, Konkurrenz- und Rekordprinzip auf, lehnte der Arbeitersport das absolute Leistungsprinzip, Rekordstreben und den Wettkampf vehement ab. Im Arbeitersport wurde die harmonische Ausbildung des gesamten Körpers im ganzheitlichen Training statt einer einseitigen Ausbildung bestimmter Muskelpartien angestrebt, sowie eine Leistungssteigerung des Kollektivs im Gegensatz zum individuellen Leistungsstreben im bürgerlichen Sport.

Im sozialistischen Gewerkschaftsorgan „Der jugendliche Arbeiter“ schreibt der damalige Generalsekretär der ASKÖ-Bundesorganisation Hans Gastgeb 1928: „Nicht Höchst- und Spitzenleistungen sind das Entscheidendste, das im Arbeitersport angestrebt wird, sondern die große Masse der Mitgliedschaft körperlich und geistig so zu ertüchtigen, daß sie die politischen und kulturellen Aufgaben der Arbeiterklasse erfüllen kann, das ist das Ziel des Arbeitersports.“[1]

Der Sport sollte zudem ein neues „Körpergefühl“ und ein neues „Körperbewußtsein“ vermitteln, um das vor allem in den körperlich arbeitenden ArbeiterInnen verankerte „Minderwertigkeitsgefühl“ zu bekämpfen: „Der Sport, der das Minderwertigkeitsgefühl bekämpft und unsere Genossen und Genossinnen zu klassenbewussten Proletariern erzieht, ist eben eines der stärksten und erfolgreichsten Mittel, die Jugend zu gewinnen, die bürgerliche Klassenherrschaft zu stürzen und eine neue, eine sozialistische Kultur zu formen.“[2]

Die Gegnerschaft zum Leistungsdenken und das gleichzeitige Bekenntnis zu sportlicher Betätigung fassten die Arbeitersportler unter dem Begriff „Körperkultur“ zusammen. Sie wurde zur „Ideologie des Arbeitersports“ in den 1920er Jahren und prägte das Selbstverständnis der führenden Funktionäre des Arbeitersports bis in die 1960er Jahre.

[1]    Zitiert nach: Rade

[2]    Gastgeb, Hans: Die österreichische Sportbewegung. In: Der jugendliche Arbeiter, 27.Jg./Nr.8, August 1928, S.8.


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