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Das Wehrturnen

Eine Folge der politischen Zuspitzung der 20er Jahre war die Bildung von Wehrsportorganisationen. Sowohl Sozialdemokraten als auch Christlich-Soziale und Deutschnationale forcierten das „Wehrturnen“ als Vorbereitung auf gewalttätige Auseinandersetzungen.

1924 veröffentlichte der Turnerbund eine Broschüre über das Wehrturnen in der es hieß: „Wir müssen Männer heranbilden, auf die unser deutsches Volk in jeder Lage bauen kann, Männer, die bereit und fähig sind, für unsere höchsten Güter, für unser Volkstum,für Ehre, Freiheit und Vaterland, mit der Waffe in der Faust einzustehen; das ist und bleibt eine heilige Pflicht unseres Bundes“[1]. Als Grund führen die Turner den Wegfall der Allgemeinen Wehrpflicht an: Das Bundesheer der Ersten Republik war in diesen Jahren ein Berufsheer. „An uns liegt es nun, unseren heranwachsenden Geschlechtern, die nicht mehr durch die alte Heeresschule gehen, jene Sonderkenntnisse und fachlichen Fertigkeiten zu vermitteln, die nötig sind, um im Kampfe für unser Volkstum mit Erfolg zu bestehen. […] Das Wehrturnen muss auch in den kleinsten und entlegenstern Verein sieghaften Einzu halten, es muß zum unerläßlichen Bestandteile aller unserer Feste und Veranstaltungen werden.“[2]

Die Turner fürchteten um die „Wehrfähigkeit“ des Volkes und wollten sich auf neue Kriege vorbereiten, die ihrer Ansicht nach als „vaterländische Schutzkriege“ früher oder später kommen mussten. Für die Arbeitersportler war die Aufrüstung des Turnerbundes eine Bedrohung. Auch die Arbeitersportler forcierten deshalb in der Folge den Wehrsport: Für die Arbeitersportler verfasste Ernst Czerny eine Broschüre, in der die Grundsätze des „Wehrturnens“ zusammengefasst wurden. Im Prinzip entsprach das „Wehrturnen“ einer militärischen Grundausbildung: Gelehrt wurden Befehle und Marschformationen, das Schießen, Laufen und Springen sowie das Hammerwerfen und  die Selbstverteidigung ohne Waffe.

1925 wurde das „Wehrturnen“ obligatorisch in allen sozialdemokratischen Turnvereinen eingeführt. In den Bezirken wurden eigene Wehrturnausschüsse gebildet, die mit der sozialdemokratischen Wehrorganisation „Schutzbund“ verbunden waren.

Der „Turnvater Jahn“ begründete das „Deutsche Turnen“. Nicht nur die deutschnationalen Turner des Turnerbundes verehrten den „Turnvater“. Auch die Arbeiterturner bekannten sich zum „Deutschen Turnen“, das als eigenständige Schule verstanden wurde. Die Person Jahns wollten sie nicht dem Turnerbund überlassen.

Wenige Jahre später war der eigentliche Zweck des Wehrturnens bereits offensichtlich geworden. Die christlich-deutschen Turner schreiben im Vorwort zu ihrer eigenen Broschüre: „Die geistige Schattierung schreitet vorwärts, es verschärfen sich die Gegensätze, mit ihnen aber auch die Kampfesweisen. Massenaufmärsche, Massenversammlungen, tätliche Angriffe drücken den Geist der Zeit aus. Gewalt ist nicht mehr Recht, sondern Gewalt ist Macht. Sich zu schützen, für den Kampf wehrhaft zu sein, Massen einheitlich zu befehlen und zu leiten, ist nun erhöhte Aufgabe.

[1]     Holtei, Karl: Wehrturnen. Bearbeitet vom Obmannstellvertreter des Deutschen Turnerbundes (1919) Univ. Prof. Dr. Karl Holtei unter Mitwirkung von Univ. Prof. Dr. Hesse (Graz), F.R. Zenker (Plauen i.V.), Oberst Klettlinger (Wr. Neustadt), Otto Mauer (Wien) und Karl Auswald (Graz), durchgesehen von Prof. Dr. Erwin Mehl (Wien) und Oberst Wilhelm Buley (Wien). Wien 1924, 1

[2]     Holtei, 4


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